Schwimmen im größten Fluss der Welt

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Bevor ich meine Reise zum Amazonas antrat, war ich mir nicht sicher, ob man in dem tropischen Fluss baden kann. Jedenfalls würde er nur so vor exotischem Getier wimmeln und möglicherweise zusätzliche Gefahren bergen. Nichtsdestotrotz packte ich meine Badesachen vorsorglich mit in den Koffer. Sollte sich mir die Chance auf diese außergewöhnliche Erfahrung bieten, so wollte ich vorbereitet sein. Nun stand ich auf dem Heck des Schiffes, lehnte mich gegen die Reling und schaute auf den größten Fluss der Welt, dessen Farbe mich an den brasilianischen Milchkaffee erinnerte, den ich hier so gerne trank.

Die Braunfärbung des Wassers entsteht durch die mineralstoffreichen Sedimente, die ihren Ursprung in den Quellen der Anden finden. Zwischenzeitlich hatte sich mein Wissensstand über den Amazonas deutlich erweitert. Einem Bad in diesem einzigartigen Gewässer sollte nichts im Wege stehen, doch einige Gegebenheiten würde ich berücksichtigen müssen. So ist es unerlässlich, darauf zu achten, nicht mit offenen Wunden ins Wasser einzutauchen. Blut lockt augenblicklich zahlreiche Raubfische an. Auch wenn sie in diesem trüben Gewässer fast blind sind, so ist ihr Geruchssinn doch extrem ausgeprägt. Zudem besteht das Risiko, von Strömungen mitgerissen sowie von Treibholz verletzt oder zumindest in Bedrängnis gebracht zu werden.

Wir hielten an einem scheinbar ruhigen Bereich des Stroms. Die Crew und Mitreisenden waren teils amüsiert, teils besorgt über mein Vorhaben. Niemand war erpicht, es mir gleich zu tun – ich jedoch konnte es kaum erwarten. Die Schwimmweste kurzerhand zweckentfremdet und um die Hüfte gebunden, kletterte ich über das Geländer und sprang. Ich tauchte ein in das herrliche, überraschend warme Wasser, glitt in die unbekannte Tiefe herab und öffnete schließlich die Augen. Ein undurchsichtiges Braun raubte mir jegliche Sicht. Wieder an der Wasseroberfläche nahm ich mir Zeit, den Moment intensiv wahrzunehmen und ließ mich treiben. Unentwegt wuselte es um meine Hüfte, Beine und Füße, doch eben dies gehörte zu dem aufregenden Erlebnis dazu.

Der unbekannte Urwald

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Zum Ende der Nacht kurz vor Sonnenaufgang stoppte der Schiffsmotor. Bereits seit geraumer Zeit wach, saß ich in meiner Kajüte und grübelte über meinen bisherigen Reisenotizen. Die plötzliche Stille ließ mich einen Blick durch das große Panoramafenster werfen. Tiefschwarze Dunkelheit wich zügig einer sanften Morgenröte. Der Amazonas erwachte. Seit Manaus lagen etwa 750 Kilometer hinter uns. Etliche ereignisreiche Unternehmungen hatten die vergangenen Tage ausgefüllt. Doch was ich in den nächsten Stunden alles erleben und zu Gesicht bekommen sollte, würde meinen Erfahrungsschatz nochmals deutlich erweitern.

Der Kapitän hatte das Schiff direkt am Ufer gestoppt – so nah, dass man von der Reling aus eine Liane hätte greifen und in den Dschungel schwingen können. Über Nacht hatten wir das „Reserva Desenvolvimento Sustentável Mamirauá“ erreicht – ein ökologisch unersetzbares Areal von globaler Bedeutung, das in den 1990ern zum Naturschutzgebiet ernannt wurde. Die Hälfte des Jahres wird dieser Teil des Regenwaldes vollständig überschwemmt.

Die Feuchtgebiete beherbergen eine einzigartige Tier- und Pflanzenwelt. Alle Ribeirinhos, die hier beheimatet waren, wurden einer nachhaltigen Lebensweise verpflichtet. Wer sich darauf nicht einlassen wollte, musste wegziehen. Gerade mal 30 Familien leben in dem Dorf, das wir soeben mit dem Beiboot erreichten. Vor Ort wurden wir freundlich von den Einheimischen begrüßt. Mit rutschfesten Holzbalken ebneten sie uns gekonnt einen Pfad über die schlammige Uferböschung.

Ich war gespannt: Meine bisherigen Wanderungen hatten sich vorrangig auf den Sekundärwald reduziert; so nennt man den Bereich des Regenwaldes, der hauptsächlich aus schnellwüchsigen Pflanzen, Bäumen und Spontanvegetation besteht. Heute dagegen bekam ich endlich die Möglichkeit, die schier endlosen Tiefen des geheimnisvollen Urwaldes zu erforschen. Zwei Dorfbewohner begleiteten unseren Weg in das Unbekannte, um uns mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Voller Vorfreude und Neugier trat ich ein in die Wildnis, die mich mit ihren fremdartigen Lauten und prachtvollen Gewächsen lockte…

Die Tiere des Waldes

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Die Erkundung des Regenwaldes ist eine fesselnde Erfahrung – unglaublich spannend und abwechslungsreich. Wer die hitzigen Temperaturen und extrem hohe Luftfeuchtigkeit auszuhalten vermag, sich geduldig und achtsam den Tieren nähert, den belohnt die atemberaubende Tropenwelt mit unvergesslichen Eindrücken.

In jedem Winkel des grünen Dickichts überraschte mich etwas Unerwartetes. Fingerkuppengroße Frösche kreuzten springend meinen Pfad, eine Armee von Ameisen überfiel einen herabgestürzten Bienenstock, orangefarbene Äste wuchsen aus dem Stamm eines Baumriesen. Ich kletterte über faszinierende Wurzelwerke, wich unzähligen vom Himmel herabhängenden Luftwurzeln aus. Mein Blick viel auf einen Tümpel zu meiner Linken. Ein vermeintliches Treibholz entpuppte sich als ausgewachsener Kaiman, der sich lauernd durch das Gewässer treiben ließ.

Aus der Ferne hallten die Schreie von Brüllaffen zu mir durch, die mit den Lauten ihr Territorium verteidigten. Zahlreiche Blutegel schlängelten sich durch trübes Sumpfwasser. Ich erfuhr, wie man sie effektiv gegen Gelenkentzündungen einsetzt. Man müsse sie lediglich auf die betreffende Körperregion setzen und sie dann ihr Werk verrichten lassen. Wir gingen weiter über Pfade, die uns stetig tiefer in diese mir fremde Welt führten.

Behutsam versuchte ich jedes noch so kleine Detail wahrzunehmen. Immer wieder legte ich spontan meinen Kopf in den Nacken, schaute in die Höhe und staunte. Prächtige, rot-blaue Aras ruhten im Geäst und schmückten das intensive Grün des Dschungels wie Kristallkugeln den Weihnachtsbaum. Nur unweit davon sprangen Totenkopfäffchen flink wie Eichhörnchen durch die Lüfte. Während ein Specht wild und energisch auf einen Baum einhämmerte, hing ein gemütliches Faultier nur wenige Meter daneben und ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Mehrere Leguane klammerten sich an einen Baumriesen direkt gegenüber und schienen das Szenario ebenso aufmerksam zu beobachten, wie ich es tat. Dabei hatte ich das Außergewöhnlichste noch gar nicht gesehen. Denn meine eigentliche Mission für den heutigen Tag hieß: einen seltenen Roten Uakari hoch oben in den Baumkronen sichten…

Der Uakari

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Sein bevorzugter Lebensraum sind die Überschwemmungsgebiete des Amazonas. Während er sich in der Regenzeit in die Baumwipfel zurückzieht und sich ausschließlich von Früchten ernährt, durchstreift er in der Trockenzeit den Wald auf der Suche nach Blättern, Samen und Wurzeln. Einst lebte er in Südkolumbien, doch illegale Abholzungen zwangen ihn auszuwandern. Im Naturschutzgebiet Mamirauá, in dem ich seit den frühen Morgenstunden auf Wanderschaft war, fand er seine neue Heimat.

Der Uakari-Affe ist ein wundersames Geschöpf. Er führt ein geselliges aber ruhiges Leben. Das prägnante rote Gesicht wird durch die hohe Konzentration an Blutgefäßen unter seiner dünnen Haut verursacht. Es ist ein Indikator für seine Gesundheit – je roter, desto fitter. So werden Männchen mit intensiv roten Gesichtern von Weibchen favorisiert. Umso weiter wir in den Dschungel vordrangen, desto wahrscheinlicher war es, auf das seltene Tier zu stoßen. Doch auch nach einem mehr als zweistündigen Marsch durch den dicht bewachsenen Urwald konnte ich ihn nicht entdecken.

Mittlerweile hatte die eine oder andere Mücke ihren Stechrüssel treffsicher in meiner Haut platziert. Aber der wertvolle Tipp eines Guides sorgte für Abhilfe. Er empfahl mir, meine Hand auf ein Termitennest zu legen. Sofort wuselten unzählige der kleinen Krabbeltiere über meine Finger. Diese, so der Guide, solle ich schnellstens zwischen meinen Händen verreiben. Augenblicklich entstand ein angenehmer, fast schon betörender Duft. Fortan reduzierten sich die Mückenangriffe merklich. Ich stolperte über Kletterpflanzen, versank knietief im Morast, balancierte über Baustämme und war obendrein darauf bedacht, keine lauten Geräusche zu verursachen. Mit Argusaugen suchte ich pausenlos die Umgebung ab – vom überwucherten Boden bis zum imposanten Dschungeldach.

Und dann, urplötzlich, erspähte ich es: das leuchtende Scharlachgesicht. Hoch oben kletterte der Uakari auf dem Geäst eines Tropenriesen, wie ich die gigantischen Bäume hier nannte. Mit neugierigem Blick sah er direkt zu mir hinab. Gute zwanzig Minuten durfte ich ihn bestaunen und seinem Weg folgen, bevor er in den unendlichen Tiefen des Urwaldes verschwand. Tragischerweise gehört er zu den bedrohten Tierarten. Ihn wohlbehalten in seiner natürlichen Umwelt beobachten zu dürfen, war ein unvergessliches Erlebnis.

Volle Kraft voraus

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Ich fand Gefallen an den Tagen und Nächten, die ich auf dem Hausboot verbrachte. Wenn ich nicht gerade den nächsten Ausflug plante oder meine bisherigen Erfahrungen zu Papier brachte, genoss ich einige Gewohnheiten an Bord. Das Essen der einheimischen Köchin war sensationell. Dreimal täglich zauberte sie traditionelle brasilianische Spezialitäten auf den Tisch: deftige Bohneneintöpfe, Ente mit wildem Amazonas-Basilikum, wechselnde Fischgerichte aus dem reichen Fundus des Flusses, Açaí Eiscreme oder die allseits beliebten Maniok-Käsebällchen. Wenn ich konnte, schaute ich ihr in der Kombüse unauffällig über die Schulter.

Hin und wieder besuchte ich auch den Kapitän im Steuerhaus und durfte für einige Seemeilen das Ruder übernehmen. Während ich das Schiff auf Kurs hielt, berichtete er von dem einen oder anderen Zwischenfall an Bord. Vor nicht allzu langer Zeit sei die Schiffsschraube gebrochen und habe ausgetaucht werden müssen. Ein Crewmitglied sei herabgetaucht und habe in dem trüben Gewässer nur mit den Fingern tastend und durch einen langen Schlauch atmend blind das Ersatzteil montiert.

Bei einer anderen Gegebenheit sei ihr Schiff von der brasilianischen Militärpolizei mit Schnellbooten gestoppt worden. Auf der Suche nach Schmugglern kolumbianischer Drogen hätten sie alle Kabinen kontrolliert und sämtliche Pässe eingesammelt. Auch ich solle mich auf diese Möglichkeit einstellen. Wichtig sei in solchen Situationen: Kein Gerenne an Bord. Diesen Anekdoten hätte ich stundenlang lauschen können.

Abends gegen 21 Uhr traf ich mich regelmäßig mit Besatzungsmitgliedern für ein kurzes Workout auf dem Unterdeck. Durch Mobilitäts- und Körpergewichtsübungen kam mein gewohntes Krafttraining nicht vollends zu kurz. Auch wenn niemand von ihnen Englisch sprach und ich kein Portugiesisch beherrsche, waren wir doch im Stande, uns durch den Sport zu verständigen.

Eine tolle Erfahrung und ein wunderbarer Abschluss des Tages, bevor ich mich in meiner Kabine zu Bett begab. Durch das Panoramafenster beobachtete ich den gewaltigen Strom in der Dunkelheit der Tropennacht und ließ mich von den sanften Wellen in den Schlaf schaukeln.

Tefé

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Je weiter wir stromaufwärts fuhren, desto dünner wurde die Besiedlung. Unweit des Mamirauá Naturschutzgebietes auf halbem Weg zwischen Manaus und Kolumbien trafen wir auf den letzten Außenposten der Zivilisation und einen wichtigen Güterumschlagplatz.

Die im 17. Jahrhundert von Missionaren als Nogueira gegründete Stadt Tefé liegt im Herzen des Amazonas und ist ausschließlich über Wasser oder per Flugzeug erreichbar. Verbindungsstraßen existieren nicht, aber die Einwohner kommen auch so wunderbar zurecht.

Mit 60.000 Tefeensern befand sich dort der einwohnerreichste Ort auf meiner Flussreise. Vom Hauptstrom aus gelangten wir über den beeindruckenden, schwarzen Rio Tefé zum Hafen der ehemaligen Hauptstadt des Amazonas. Durch die Trockenzeit hatte sich am Ufer ein weitläufiger Strand gebildet, den wir zielstrebig überquerten, um schließlich in der Stadt einzutreffen. Motorräder waren das bevorzugte Fortbewegungsmittel. Hunderte davon pesten durch die Innenstadt. Die Zweiräder werden häufig als Taxis angeboten und ermöglichen den Einheimischen so ein Zubrot.

Ich besuchte den großen Markt und erfreute mich an den Früchten, die ich vor einigen Tagen noch frisch gepflückt in einem Dschungeldorf der Ribeirinhos probieren durfte. Ein Paradies für Naturkost-Genießer wie mich. Mangos, Ananas, Maracujas – hier fanden die Leckereien zahlreiche Abnehmer. Auch weiterverarbeite Produkte wie Säfte und Maniokmehl wurden umfangreich präsentiert. Nur wenige Gehminuten von dort schaute ich in der beliebten Fischhalle vorbei und begutachtete anschließend historische Gebäude dieser authentischen, beinah touristenfreien Stadt.

Die „Catedral Santa Teresa“ befand sich in unmittelbarer Umgebung. Auch eine große Missionsstation aus dem 18. Jahrhundert gehört zu Tefé. Abgeschieden in imposanter Lage auf einer Anhöhe erbaut ist sie Zeugnis der europäischen Einwanderung. Die damit einhergegangene Missionierung zahlreicher indigener Völker prägte das Bild vieler Orte nachhaltig. Um nun zur Klosteranlage zu gelangen, mussten wir erneut einen Zugang vom Fluss aus finden…

Auf den Spuren der Missionare

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Zurück am Flusshafen stiegen wir in unser Schnellboot und nahmen Kurs auf die Missionsstation. Irgendwo nahe der Mündung des Rio Tefé in den Amazonas sollte sie zu finden sein. Ich suchte das Ufer zu meiner Rechten nach einer langen Steintreppe ab. Hinweisschilder gab es nicht und so schien es fast unmöglich, die Stufen zwischen dem dichten Gewächs zu entdecken. Möglicherweise waren wir gar bereits vorbeigefahren?

Intuitiv warf ich einen Blick über meine Schulter. Und tatsächlich: Auf einem Hügel in der Ferne sichtete ich ein auffälliges, weißes Kreuz, das hinter den Bäumen und Palmen herausragte. Wir stoppten, wendeten und hielten aufs Ufer zu. Nun erkannte ich auch die Steintreppe, die uns auf die Anhöhe und zur Klosteranlage leiten sollte.

Nach gezählten 91 Stufen gelangten wir auf eine große, gepflegte Grünfläche. Direkt vor uns thronte das schlichte, gut sechs Meter hohe Kreuz, montiert auf einem stabilen Steinsockel. Dahinter gedieh ein farbenfroher, prächtiger Garten, der uns zum Kloster der historischen Missionsstation führte. Wir traten ein und durften uns frei umschauen.

Im Innenhof beäugte mich ein ausgewachsener Kaiman, der unter einem Sonnendach entspannte. Auch in der Küche gab es eine tierische Überraschung. Hinter der Eingangstür lauerte eine handtellergroße Tarantel.

Respektvoll ging ich meiner Wege und besichtigte das restliche Grundstück: den Friedhof der verstorbenen, hier ehemals tätigen Bischöfe und eine große Kirche. Letztere weckte besonders mein Interesse, erlaubte man mir doch den Kirchturm bis zur Glocke hinaufzuklettern. Ich überlegte kurz, ob ich einmal kräftig an dem Glockenseil ziehen sollte, um sie zum Läuten zu bringen, doch dann wurde mir klar, dass dies wohl unpassend wäre. Über wackelige Holzleitern stieg ich von Etage zu Etage bis unter das Dach. Das kleine Turmfenster bot mir ein fantastisches Panorama auf den sich schlängelnden Fluss und den umliegenden Dschungel. Trotz weiter Distanz erkannte ich deutlich das schwarze Wasser des Rio Tefé, wie es auf das braune Gewässer des Amazonas stieß – ein eindrucksvolles Naturschauspiel.

Im Nebel versunken

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Noch benommen von der Nachtruhe schlurfte ich behäbig von meiner Kajüte aus auf die obere Etage des Hausbootes. An diesem Morgen wollte ich den Tagesanbruch vom Schiffsbug aus erleben und die Morgendämmerung auf mich wirken lassen. Die Schiebetüre zur Seite gezogen, trat ich freudig auf das Sonnendeck. Doch ein grau-weißer Schleier versperrte mir den Blick auf das gewohnt traumhafte Szenario aus Fluss, Dschungel und aufgehender Sonne. Ich rieb mir den Schlaf aus den Augen, aber die Sicht besserte sich nicht.

Gigantische Nebelschwaden hatten die Umgebung und das Schiff über Nacht fast vollständig geschluckt. Beinahe blind bahnte ich mir Schritt für Schritt den Weg hin zum Steuerhaus, stieß gegen die Reling und versuchte Orientierungspunkte zu finden. Aus dem Nichts drang plötzlich eine Stimme zu mir durch. Wilson, einer der Guides näherte sich mir.

Von ihm erfuhr ich, dass der Nebel unsere sichere Fahrt bereits seit Stunden einschränke. Ohne Radar fuhren wir bloß mit Schrittgeschwindigkeit und lagen deutlich hinter unserem Zeitplan. Die geringe Wassertiefe durch die alljährliche Trockenzeit erschwerte die Fahrt zusätzlich. Noch vor zwei Monaten war der Wasserstand an dieser Stelle gute fünf Meter höher. Nun aber hatten sich kilometerlange Sandbänke freigelegt, die wir im riesigem Bogen vorsichtig umfahren mussten. Auch das Fernlicht war keine Hilfe – ganz im Gegenteil: Das Wetterphänomen erzeugte ein stark blendendes Gegenlicht. Der Kapitän war nicht zu beneiden.

Natürlich gäbe es wegen der hohen Luftfeuchtigkeit häufig Nebel im Amazonas. Meist zöge er jedoch gemächlich über den Regenwald hinweg. So blickdicht und alles einnehmend wie heute, habe er hier noch keinen erlebt. Während wir uns unterhielten und das Schiff vor sich hin dümpelte, war zu beobachten, wie sich der unheimliche Nebel allmählich lichtete und die Sonne in der Ferne langsam sichtbar wurde. Bald schon hatten wir das gewaltige Nebelmeer überwunden…

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